Betriebliche Gesundheitsförderung (Juli 2004, ARBEIT UND GESUNDHEIT, Die Zeitschrift Ihrer Berufsgenossenschaften)

„Bleib doch Fit“

Mitarbeiter großer Unternehmer kommen häufig direkt am Arbeitsplatz in den Genuss professioneller Unterstützung in Sachen Gesundheit, zum Beispiel bei der Beiersdorf AG in Hamburg mit dem Gesundheitsprogramm „Bleib doch fit“.

ARBEIT UND GESUNDHEIT sprach mit der leitenden Betriebsärztin Dr. Birgit Krähe.

Frau Dr. Krähe, Sie sind seit 1986 Betriebsärztin bei Beiersdorf. Warum engagieren Sie sich für die betriebliche Gesundheitsförderung?

Dr. Krähe: Mein Ziel ist die Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit alle Mitarbeiter. Sie kommen mit den unterschiedlichsten gesundheitlichen Beschwerden zu mir. Durch gezielte Prävention, oft schon ganz einfache Maßnahmen, lassen sich viele dieser Beschwerden verhindern oder stark vermindern. Und die Praxis zeigt, dass betriebliche Gesundheitsförderung den Gesundheitszustand der Mitarbeiter verbessert.

Wie sieht die Gesundheitsförderung bei Beiersdorf aus?

Ganz vielseitig. Grundsätzlich gilt es, gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen zu schaffen und die Mitarbeiter zu gesundheitsförderndem Verhalten zu befähigen und zu motivieren. Wichtig ist natürlich, dass dieses Verhalten nicht an den Unternehmenstüren aufhört, sondern auch in der Freizeit gelebt wird. Ärztliche Untersuchungen und medizinische Vorsorge sind wichtige Bestandteile unserer Arbeit. Über die vorgeschriebene Betreuung hinaus bieten wir unter anderem Schilddrüsen-Screenings, Grippeschutzimpfungen oder Reiseberatung und zugehörige Schutzimpfungen an.

Zudem gibt es Gesundheitswochen, Informationskampagnen, Seminare von der Raucherentwöhnung über Stressbewältigung bis hin zur Rückenschule.

Ein immer aktuelles Thema ist die Ergonomie. Hier gibt es große Unterschiede zwischen Produktion und Verwaltung.

Können Sie das etwas näher erläutern?

Beiersdorf stellt mit mehr als 18000 Mitarbeitern Produkte her, die Weltweit vertrieben werden, zum Beispiel die Marken Nivea, Labello und Futuro. Also gibt es sowohl Arbeitsplätze in der Produktion als auch in der Verwaltung. Die körperlichen Belastungen sind sehr unterschiedlich. So werden in der Produktion auch heute noch zum Teil körperlich schwere Arbeiten verrichtet, wie das Heben und Tragen von Rohstoffabpackungen. In enger Abstimmung mit den betroffenen Mitarbeitern versuchen wir, die Arbeitsplätze und die Arbeitsabläufe zu verbessern. So gibt es theoretische Schulungen, bei denen die Mitarbeiter in kleineren Gruppen über Verbesserungsmöglichkeiten wie z.B. Hebehilfen, Wege verkürzen, Vermeiden von Drehbewegungen, aufgeklärt werden. Das wird ergänzt durch Hebe- und Tragetrainings, bei denen eine Physiotherapeutin an den einzelnen Arbeitsplatz geht. Sie analysiert die individuellen Bewegungsabläufe des Mitarbeiters und entwickelt konkrete Problemlösungen. Denn es bringt erfahrungsgemäß nichts, dem Mitarbeiter etwas völlig Neues „aufdrücken“ zu wollen. Ein Konsens muss gefunden werden. Nur dann ist der Mitarbeiter bereit umzulernen. Diese Trainings werden zyklisch immer wieder durchgeführt, bisher wurden zirka 900 Mitarbeiter geschult.

Und wie sieht es in den Büros aus? Gibt es dort auch so etwas?

Ja. Allerdings sind die Probleme ganz anders geartet. Die Mitarbeiter sitzen oft den ganzen Tag am Schreibtisch, zumeist vor dem Computer. Hier kommt es auf eine rückenschonende Haltung an. Dazu bieten wir Sitztrainings an, knapp 350 Mitarbeiter haben bisher teilgenommen. Außerdem müssen die Möbel und Geräte an den Bildschirmarbeitsplätzen ergonomisch richtig aufgestellt werden. Auch hier schauen wir uns jeden einzelnen Arbeitsplatz an, denn die richtige Positionierung muss auf den jeweiligen Mitarbeiter abgestimmt werden. Optimal ist natürlich, wenn sich die Mitarbeiter an Sitzarbeitsplätzen zwischendurch immer wieder bewegen oder zwischen sitzenden und stehenden Tätigkeiten wechseln, dazu haben wir Faltblätter entwickelt. Oder im Rahmen unserer Aktion „Rücken in Balance“ besteht die Möglichkeit, das Angebot von Bewegungspausen für Konferenzen und Besprechungen zu nutzen. Diese aktiven Pausen bestehen aus einem zehnminütigen Programm mit leichten Lockerungs-, Dehnungs- und Entspannungsübungen.

Das sind ja vor allem vorbeugende Maßnahmen. Was raten Sie Mitarbeitern mit akuten Rückenbeschwerden?

Wir leiten individuelle Therapien an. Wie diese aussieht, kann man pauschal gar nicht beantworten. Die Ursachen für Rückenprobleme sind sehr unterschiedlich, angefangen bei der falschen Haltung über Übergewicht bis hin zu psychische Belastungen. In unserem Unternehmen werden zunehmend Steh-Sitz-Arbeitsplätze eingerichtet. Dadurch wird die Belastung für den Rücken erheblich reduziert.

Das A & O bei Rückenbeschwerden ist und bleibt die Bewegung und das Training der Muskulatur. Deshalb ist aus der betrieblichen Gesundheitsförderung die Wirbelsäulengymnastik hervorgegangen, neben vielen Sportarten ist sie seit 1997 fester Bestandteil unseres Betriebssportprogramms. Unterstützend zu therapeutischen Maßnahmen setzen wir auch gerne eine stützende Futuro-Rückenbandage ein. Grundsätzlich gilt, dass sich unsere Mitarbeiter in der Verwaltung möglichst viel bewegen und unsere Mitarbeiter in der Produktion sich auf Rücken entlastende Arbeitsabläufe konzentrieren sollten.

 

Durch gezielte vorbeugende Maßnahmen könnten sicherlich viele Krankheiten verhindert oder in ihrer Intensität gemildert werden. Wir werden sehen, wie sich in Zeiten knapper Kassen das Thema Prävention entwickeln wird und welchen Stellenwert die betriebliche Gesundheitsförderung zukünftig einnimmt.